Hochwexl
Die Wechselregion im südlichen Niederösterreich ist so etwas wie meine Bergheimat. In den Wäldern am Aspangberg hab ich einen Gutteil meiner Kindheit und Jugend verbracht, meine ersten Wanderungen, Bergtouren, Bergläufe und Mountainbiketouren unternommen. Meine lebenslange Begeisterung für den Bergsport wurde hier sozusagen initialisiert.
Neuerdings bietet der altehrwürdige Skiort Sankt Corona am Wechsel mit den "Wexltrails" ein weithin einzigartiges, vielgelobtes Angebot für alle Typen von Mountainbikern.
Wo in den letzten Jahren der Skisport nicht mehr so recht funktionieren wollte, gibt es heute einen Bikelift, einen Bikepark, der mit kilometerlangen Jump-, Flow-, Fun- und Downhill-Lines alle Stückerl spielt, einen Minibikepark für die Kleinen, und mit der "Wexlbase" das soziale Zentrum der Erlebnisarena.
Oberhalb warten die weiten Panoramatrails auf den Hochalmen des Wechsels. Ein Paradebeispiel für legalisiertes Mountainbiken im alpinen Raum. Direkt vom 1743m hohen Gipfel des Hochwechsels führt "The WU", der höchstgelegene Mountainbiketrail Niederösterreichs bergab.
Es war also höchste Zeit, dort wiedermal vorbeizuschauen und mich persönlich davon zu überzeugen, was sich in dieser mir so vertrauten Gegend für den Mountainbikesport entwickelt hat. Ich war ja anfangs ein wenig skeptisch, ob es der richtige Weg ist, fürs Mountainbiken in der Natur Eintrittsgeld zu kassieren, aber, so viel sei schon jetzt verraten, die 12€ Tageseintritt waren es voll wert.
Sozusagen die "Königstour" ist die Gipfeltour zum Hochwechsel, von der Wexlbase in St. Corona ausgehend, über Kampstein, Frauenalpe und Dreiländereck. An der Abfahrt dann alle "im Weg" liegenden Trails mitnehmend.
Ehrensache, dass ich diese Tour unter die Stollenreifen nahm. In meiner Variante war sie 40km und 1300hm lang.
Gleich nach der Eintrittsschleuse im Bikepark biege ich in den "Uphill-Flowtrail" ein. Dieser 5,3 km lange Trail sorgt tatsächlich für Fahrspaß bergauf. Über gefühlt hunderte Kurven, über Wurzel und Steine, sehr abwechslungsreich, und dabei nie übermäßig steil werdend, geht es durch den Wald bergauf, 350hm bis zum Speicherteich bei der Almrauschhütte. Hier oben könnte man sogleich in den Abfahrtsrausch von "Single Trail" und "Flowline" einbiegen, wobei die Mehrheit der Bikeparkbesucher schon weiter unten beim Liftausstieg loslegt.
Die wahren Bergradler halten sich aber weiter bergauf, auf schmalen Trails und Forstwegen durch eierschwammerlschwangeren Wald zur ersten großen Hochalm, der Kampsteiner Schwaig auf 1400m. In meiner Kindheit fand dort jeden Sommer ein großes Bergturnfest statt, das viele Besucher auf den Berg lockte. Heute ist die Alm verwaist.
Auf der Frauenalm Route gelangt man weiter zur Feistritzer Schwaig. Diese urige Almwirtschaft wirkt wie aus einem anderen Jahrtausend und ist noch immer einfach bewirtschaftet. Hier ganz in der Nähe durfte ich die totale Sonnenfinsternis von 1999 miterleben.
Bald erreiche ich das "Dreiländereck", wo Wege aus allen Richtungen zusammentreffen. Der perfekten Beschilderung der Panoramatrails folgend, nehme ich hier den "Hochwechseltrail Nord", der auf teils steinigen, aussichtsreichen Almwegen, vorbei an einem frühherbstlich bunt leuchtenden Heidelbeerstaudenmeer, zum Gipfel führt.
Die Weite des Horizonts ist fantastisch, der Blick reicht zu Schneeberg und Rax, Stuhleck und Semmering, und tief ins Steirische.
Wahrzeichen am höchsten Punkt des über 15km langen Wechselkammes ist das Schutzhaus der Wetterkoglerhütte, die hier seit vielen Jahrzehnten dem omnipräsenten Wind trotzt, sowie der weithin sichtbare Turm einer Gipfelkapelle.
Neuestes Wahrzeichen ist aber auch das überdimensionale hölzerne "W" der Wexltrails, das als Eingangstor in den Hochwechseltrail "the Wu" dient.
Dieser Trail ist das Aushängeschild im gesamten hiesigen Mountainbikenetz und führt in kreativer Linienwahl, über Stock und Stein und mit flowigen Kurven durch die Hochalmböden bergab Richtung Marienseer Schwaig.
Es ist ein 2,7 km langes, süchtigmachendes Fahrvergnügen und ich muss sagen, dass der Aufwand einen solch perfekten, liebevoll in die Landschaft gelegten Trail zu bauen für mich unvorstellbar ist.
Der Rückweg führt erneut ins Dreiländereck und auf bekannten Wegen, nur in umgekehrter Richtung, zur Kampsteiner Schwaig. Am "Almrauschtrail", einem versteckten Waldschmankerl, geht es zurück zum Speicherteich.
Hier biege ich ab Richtung Herrgottschnitzerhütte, nehme diese zusätzlichen Höhenmeter in Kauf um dort einzukehren und alte Kindheitserinnerungen aufzufrischen (ich sage nur "Würstel mit Saft").
Retour bergab wird einem auch nicht fad, denn es wartet der schöne "Herrgottschnitzertrail". Im Trailpark angelangt, bringt mich eine abwechslungsreiche Kombination aus steinig-wurzeligem "Singletrail" und perfekt geshapter "Flowline" zurück ins Tal. Gut geschüttelt und gerührt und beinahe schwindlig vom eben erlebten Trailrausch...