Dienstag, 3. Dezember 2024

 Nebelflucht zum Nebelstein


Allgemeine Wetterprognose für den ersten Adventsonntag: Strahlend sonnig in ganz Österrreich. Ganz Österreich? Nein, nur eine von unbeugsamen Wald- und Weinviertlern bewohnte Region im Norden versinkt im Nebel.

Und tatsächlich, als ich morgens aus dem Fenster schaue, ist da nichts als Weiß. Hilft nur Nebelflucht.

Antagonistisch, also bildungssprachlich widersprüchlich, erklären wir den "Nebel"stein zu unserem Ziel, in der Hoffnung dass wir dort oben, auf über 1000m Seehöhe, auf Sonne stoßen.

Die lange Fahrt durch die weiße Suppe dorthin nagt gehörig an unserem Optimismus, aber tatsächlich, nur wenige Kilometer vor unserem erkorenen Ausgangspunkt St.Martin bei Weitra, ist sie da, unser lichtspendendes Zentralgestirn über strahlend blauem Winterhimmel.

Wir fahren die klassische "Nebelsteinrunde", eine Mountainbiketour über 26km und 550 Höhenmeter, die auf ruhigen Waldwegen recht gemütlich zum prominenten Waldviertler Gipfelziel führt.

Die Außentemperatur schwankt zwischen minus ein und plus ein Grad Celsius. Recht erfrischend eigentlich, für einen Radausflug, aber solange uns die Sonne scheint, kann uns nichts erschüttern.

Die Lainsitz entlang, an Bad Großpertholz und der Papiermühle Mörzinger vorbei, ins treffend bezeichnete "Friedental". Ich war schon länger nicht mehr hier und konnte mich gar nicht mehr erinnern wie schön die Gegend ist.

Schillernder Winterwald, gefrorene Böden, leichte Schneeauflage am Schlussanstieg zur Gipfelhütte, das einzigartige Winterpanorama von den Gipfelfelsen übers Nebelmeer in die aus der Ferne grüßenden Ostalpenberge, und das unbeschreibliche Gefühl, zur rechten Zeit am richtigen Platz zu sein.


Bei der Abfahrt nach St. Martin wird es schattig, wir frieren wie die Schoßhunde.  Ein Part of the Game bei einer Winterbiketour, der auch vorbei geht.

Jener sündhafte kulinarische Waldviertelklassiker, der traditionell mit Erpfiknödel und Kraut serviert wird, und das anschließende Schlendern durch den Weitraer Adventmarkt, der sich stimmungsvoll über  Hauptplatz, Schloss Weitra und durch die Altstadtgassen zieht, vollenden unseren perfekten Sonn-Tag.






Mittwoch, 2. Oktober 2024

 Hochwexl

Die Wechselregion im südlichen Niederösterreich ist so etwas wie meine Bergheimat. In den Wäldern am Aspangberg hab ich einen Gutteil meiner Kindheit und Jugend verbracht, meine ersten Wanderungen, Bergtouren, Bergläufe und Mountainbiketouren unternommen. Meine lebenslange Begeisterung für den Bergsport wurde hier sozusagen initialisiert.

Neuerdings bietet der altehrwürdige Skiort Sankt Corona am Wechsel mit den "Wexltrails" ein weithin einzigartiges, vielgelobtes Angebot für alle Typen von Mountainbikern.

Wo in den letzten Jahren der Skisport nicht mehr so recht funktionieren wollte, gibt es heute einen Bikelift, einen Bikepark, der mit kilometerlangen Jump-, Flow-, Fun- und Downhill-Lines alle Stückerl spielt, einen Minibikepark für die Kleinen, und mit der "Wexlbase" das soziale Zentrum der Erlebnisarena.

Oberhalb warten die weiten Panoramatrails auf den Hochalmen des Wechsels. Ein Paradebeispiel für legalisiertes Mountainbiken im alpinen Raum. Direkt vom 1743m hohen Gipfel des Hochwechsels führt "The WU", der höchstgelegene Mountainbiketrail Niederösterreichs bergab.

Es war also höchste Zeit, dort wiedermal vorbeizuschauen und mich persönlich davon zu überzeugen, was sich in dieser mir so vertrauten Gegend für den Mountainbikesport entwickelt hat. Ich war ja anfangs ein wenig skeptisch, ob es der richtige Weg ist, fürs Mountainbiken in der Natur Eintrittsgeld zu kassieren, aber, so viel sei schon jetzt verraten, die 12€ Tageseintritt waren es voll wert.

Sozusagen die "Königstour" ist die Gipfeltour zum Hochwechsel, von der Wexlbase in St. Corona ausgehend, über Kampstein, Frauenalpe und Dreiländereck. An der Abfahrt dann alle "im Weg" liegenden Trails mitnehmend.

Ehrensache, dass ich diese Tour unter die Stollenreifen nahm. In meiner Variante war sie 40km und 1300hm lang.


Gleich nach der Eintrittsschleuse im Bikepark biege ich in den "Uphill-Flowtrail" ein. Dieser 5,3 km lange Trail sorgt tatsächlich für Fahrspaß bergauf. Über gefühlt hunderte Kurven, über Wurzel und Steine, sehr abwechslungsreich, und dabei nie übermäßig steil werdend, geht es durch den Wald bergauf, 350hm bis zum Speicherteich bei der Almrauschhütte. Hier oben könnte man sogleich in den Abfahrtsrausch von "Single Trail" und "Flowline" einbiegen, wobei die Mehrheit der Bikeparkbesucher schon weiter unten beim Liftausstieg loslegt. 

Die wahren Bergradler halten sich aber weiter bergauf, auf schmalen Trails und Forstwegen durch eierschwammerlschwangeren Wald zur ersten großen Hochalm, der Kampsteiner Schwaig auf 1400m. In meiner Kindheit fand dort jeden Sommer ein großes Bergturnfest statt, das viele Besucher auf den Berg lockte. Heute ist die Alm verwaist.

Auf der Frauenalm Route gelangt man weiter zur Feistritzer Schwaig. Diese urige Almwirtschaft wirkt wie aus einem anderen Jahrtausend und ist noch immer einfach bewirtschaftet. Hier ganz in der Nähe durfte ich die totale Sonnenfinsternis von 1999 miterleben.

Bald erreiche ich das "Dreiländereck", wo Wege aus allen Richtungen zusammentreffen. Der perfekten Beschilderung der Panoramatrails folgend, nehme ich hier den "Hochwechseltrail Nord", der auf teils steinigen, aussichtsreichen Almwegen, vorbei an einem frühherbstlich bunt leuchtenden Heidelbeerstaudenmeer,  zum Gipfel führt.


Die Weite des Horizonts ist fantastisch, der Blick reicht zu Schneeberg und Rax, Stuhleck und Semmering, und tief ins Steirische.

Wahrzeichen am höchsten Punkt des über 15km langen Wechselkammes ist das Schutzhaus der Wetterkoglerhütte, die hier seit vielen Jahrzehnten dem omnipräsenten Wind trotzt, sowie der weithin sichtbare Turm einer Gipfelkapelle.

Neuestes Wahrzeichen ist aber auch das überdimensionale hölzerne "W" der Wexltrails, das als Eingangstor in den Hochwechseltrail "the Wu" dient.

Dieser Trail ist das Aushängeschild im gesamten hiesigen Mountainbikenetz und führt in kreativer Linienwahl, über Stock und Stein und mit flowigen Kurven durch die Hochalmböden bergab Richtung Marienseer Schwaig.

Es ist ein 2,7 km langes, süchtigmachendes Fahrvergnügen und ich muss sagen, dass der Aufwand einen solch perfekten, liebevoll in die Landschaft gelegten Trail zu bauen für mich unvorstellbar ist.

Der Rückweg führt erneut ins Dreiländereck und auf bekannten Wegen, nur in umgekehrter Richtung, zur Kampsteiner Schwaig. Am "Almrauschtrail", einem versteckten Waldschmankerl, geht es zurück zum Speicherteich.

Hier biege ich ab Richtung Herrgottschnitzerhütte, nehme diese zusätzlichen Höhenmeter in Kauf um dort einzukehren und alte Kindheitserinnerungen aufzufrischen (ich sage nur "Würstel mit Saft").

Retour bergab wird einem auch nicht fad, denn es wartet der schöne "Herrgottschnitzertrail". Im Trailpark angelangt, bringt mich eine abwechslungsreiche Kombination aus steinig-wurzeligem "Singletrail" und perfekt geshapter "Flowline" zurück ins Tal. Gut geschüttelt und gerührt und beinahe schwindlig vom eben erlebten Trailrausch...



 

Donnerstag, 22. August 2024

 Parenzana

Die rote Erde Istriens - immer schon ein Sehnsuchtsort, sei es zum Mountainbiken, Baden, Klettern, oder einfach nur als Reisedestination, um Sonne und mediterranes Flair zu tanken, durch malerische Altstädte zu flanieren und die legendäre Kulinarik Istriens zu genießen.

   
 "Parenzana" steht für die legendäre Schmalspurbahnstrecke, die während der KuK Zeit gebaut wurde und von Triest nach Porec (italienisch "Parenza") führte. Gleichsam als Lebensader für das wilde istrische Hinterland, war sie bis 1935 in Betrieb und hat eine bewegte Geschichte hinter sich.


 2006 begann das Wiederbelebungsmodell der Parenzana, nämlich die ehemalige Bahnstrecke in einen 130km langen Radweg umzuwandeln, der Italien, Slowenien und Kroatien verbindet und die alte Bahntrasse sowie die zahlreich erhaltenen Tunnels und Viadukte der Eisenbahnlinie nützt.


 Wir starteten unser Parenzana Projekt in Muggia, einer kleinen italienischen Hafenstadt im venezianischen Stil, am Golf von Triest gelegen, und von dort auch mit der Fähre erreichbar.

Beseelt von einer gewissen Grenzverrücktheit sattelten wir unsere Reiseräder samt Packtaschen mitten in der ärgsten Augusthitze bei 35° im Schatten, hatten uns die Strecke aber immerhin auf drei gemütliche Tagesetappen eingeteilt. Genügend Zeit also, um die Landschaft zu genießen, erholsame Pausen in den beschaulichen Orten entlang der Strecke einzuplanen und bei jeder sich bietenden Gelegenheit ins Meer einzutauchen.


 Wenige Kilometer nach Muggia verlassen wir bereits Italien und fahren auf schönen Bahntrassenwegen durchs Hinterland von Koper, dem einzigen Handelshafen Sloweniens an der Adria.


 Danach führt der Weg die Küste entlang, an zahlreichen gut besuchten Badeplätzen vorbei, über Izola, wo wir eine Pause in der Altstadt einlegten, und zuletzt durch einen 500m langen, gut beleuchteten ehemaligen Bahntunnel in den bekannten istrischen Badeort Portoroz, schon zu Habsburgzeiten ein beliebtes Seebad.

Um unser erstes Tagesziel zu erreichen, verließen wir die Parenzana Route kurzzeitig und fuhren, an den zahlreichen großen Hotels von Portoroz vorbei, die Küstenstraße hinaus, in die pittoresk auf einer Halbinsel gelegene Stadt Piran, die "Perle der Adria", die als schönstes Küstenstädtchen an der slowenischen Adria gilt.

Unsere Unterkunft, das Hotel Piran mitten in der Altstadt, erweist sich als Glücksgriff. Wir genießen das venezianische Flair Pirans, den Sundowner auf der Hafenzeile, und beschließen den Abend mit Blick von der hoteleigenen Rooftop-Bar.

Tag zwei führt uns entlang der berühmten Salinen von Secovlje an die kroatische Grenze, wo wir uns für längere Zeit vom Meer verabschieden und die Parenzana Route hinauf ins rauhe, gebirgige Hinterland Istriens führt.

Während die Radwege auf slowenischer Seite großteils asphaltiert waren, geht es jetzt über Schotter und Sand auf ruppiger Oberfläche weiter. Die Hitze ist ein limitierender Faktor, wir begegnen hier nur vereinzelt andere Radfahrer, mit denen wir uns um die raren Schattenplätze matchen.

Die Schönheit der Landschaft, die mediterrane Vegetation mit Kiefernwäldern und grüner Macchia, sind aber Motivation genug, die einsame Bergstrecke der ehemaligen Schmalspurbahn zu erkunden.

Mittags erreichen wir Groznjan, jenes märchenhaft idyllisch gelegene alte Bergdorf hoch über dem Mirnatal, das heute, großteils renoviert, als bedeutende Künstlerkolonie gilt. Hier vorbeizufahren wäre unverzeihlich, und so legen auch wir eine verdiente mehrstündige Pause ein, stärken uns in einer Taverne am Hauptplatz im Schatten hoher Bäume, streifen durch die engen, steingepflasterten Gassen und besuchen die zahlreichen Kunstläden.



 Der Weiterweg hinab ins Mirnatal, ein Gefälle, das zu bewältigen die alte Bahn über 20km benötigte, ist ein einzigartiger Fahrrausch. Praktisch nur bergab, über zahllose Viadukte und durch finstere Tunnels, schlängelt sich die Trasse den Berghang entlang, mit Weitblick ins Tal, auf friedlich im Wald verstreute kleine Bauerndörfer und, als besonderer Blickfang, auf das prominent auf einem Bergkegel thronende, bezaubernde Motovun, dem wohl berühmtesten Bergdorf Istriens.




 

Im Tal der Mirna angelangt, checken wir im verschlafenen Ort Livade bei unserem Nachtquartier, Restaurant Zigante, ein. Es war uns beim Buchen des Zimmers nicht bewusst dass es sich hierbei um das bekannteste Trüffelrestaurant Istriens handelt. Dieser teuerste aller Speisepilze findet hier, im nahen Wald von Motovun, ideale Böden zum Wachsen und Gedeihen und wird nächtens von einheimischen Sammlern mit Hilfe von Trüffelhunden aufgespürt.

Wir gönnen uns ein mehrgängiges Abendmenü, das auf diese einzigartige istrische Spezialität aufbaut, werden außergewöhnlich kulinarisch verwöhnt, mit dazupassender Weinbegleitung und großartig betreut vom freundlichen Service. Ein wohl hochpreisiges Vergnügen, das aber fürwahr jeden Euro wert war.

Tags darauf verlassen wir das Mirnatal Richtung Motovun, ein Umstand, der  Bergaufhöhenmeter unvermeidlich macht, aber aufgrund der Bahntrasse, die den Berg von Motovun nahezu komplett umrundet, eine moderate Steigung aufweist.

 Wir ersparen uns diesmal die zusätzliche Auffahrt zum ganz oben gelegenen Ortszentrum, weil wir Motovun bereits von unserem letztjährigen Istrienbesuch kennen und verfolgen die Parenzana Trasse weiter Richtung Porec, immer dem Meer entgegen.

   Erneut einsamste Wege durch grüne istrische Wälder, mehrere Täler auf hohen Viadukten überquerend. Die Erde unter uns knallrot vom hohen Eisengehalt. Wir selbst, unsere Räder und unser Gepäck mittlerweile von dicker Staubschicht überzogen.

 

Eine Landschaft mit Charakter, die es wert ist zu beradeln, einzig vermissen wir ein wenig die ein oder andere Einkehrmöglichkeit auf ein erfrischendes Getränk. Bei Vizinada ereichen wir den Scheitelpunkt des heutigen Tages, nach Groznjan der zweithöchste Punkt an der Parenzana überhaupt.

Ab hier geht es tatsächlich nur mehr bergab nach Porec, das wir, wie der Zufall so spielt, direkt an einem netten Strandrestaurant mit angrenzendem Badeplatz und schattigen Liegeflächen erreichen.

Uns erwartet eine weitere malerische Adriastadt, hier sogar mit Weltkulturerbestatus, und ein voller weiterer Tag am Badestrand, bevor wir uns per Taxi nach Triest retour shutteln lassen.


Montag, 1. Juli 2024

 Backwatermans Spuren

Mein Sonntagsausflug, eine ausgedehnte Mountainbiketour, von meiner Haustür weg, zum Ottensteiner Stausee, und wieder retour. Eckdaten 132km und 2050hm.


Inspiration war mir der legendäre "BACKWATERMAN" Bewerb, der letztens an den Kamptalseen stattfand, ein kombinierter Schwimm- und Traillaufbewerb, dessen Anforderung an die Athleten meinen höchsten Respekt zollt. Auf dessen Spuren wollte ich mich bewegen. 


Weil ich es aber nicht so mit dem Laufen habe, war eine Schwimm-Bike Kombination meine Wahl, mit hohem Offroadanteil und ein paar schönen Trails, wie sich`s gehört.

Aus dem Weinviertler Schmidatal in die Manhartsbergwälder und hinab ins untere Kamptal, das ich bei Stiefern überquerte. Den ewigen Waldschluchten des Stiefernbaches und Kaltbaches folgend, gut 400 Höhenmeter am Stück bergauf, zu den "Ämtern" im Waldviertelhochland.  Abwechslungreiches Bauernland mit Feldern, Wiesen, Wäldern und Einschichthöfen in einsamster Lage.

Auf felsigem, leicht ausgesetzten Trail erreiche ich Krumau am Kamp, idyllisch an den Ufern des Thurnberger Stausees gelegen. Kampaufwärts, dann den steilen Asphaltweg, auf Strava treffend als "Hell of Kienberg" bezeichnet, bergauf nach Schloss Wetzlas, betrete ich das grüne Reich des Dobrastausees.

Vorbei an Ruine und Camping Dobra, am Kampseenweg durch dessen Uferwälder, zu Schloss Waldreichs/Gut Ottenstein, erreiche ich, nach 70km, 1350hm und 4h45min Fahrzeit, die Badeplätze nahe der Ottensteiner Talsperre. 

Dort gönne ich mir drei volle Stunden Swim and Relax.

Meinen Rückweg plante ich nördlich des Kamptals: Am "Schauensteinweg" zwischen Altpölla und Krug, erwartet mich die "Betzbach Challenge", ein immens steiler Waldweg, wo mich zu allem Überfluss die Ausläufer einer Gewitterzelle mit Regen und leichtem Hagel erwischen. 

Der Spuk ist gottseidank bald vorbei, durch die Stiftswälder von Altenberg mit dem schönen"Forsthaustrail" lacht mir bereits wieder die Sonne. Im Horner Becken angelangt, entscheide ich mich zum Weiterweg quer durchs Taffatal, auf entspannten Asphaltwegen nach Kotzendorf. Dort wartet mit dem "Mount Kodo" über den Manhartsbergrücken die letzte größere Bergwertung des Tages.

Immer knapp südlich der B4, suche ich mir die einfachsten Wege durchs Schmidatal. Denn jetzt ist nur mehr Heimrollen angesagt. Müde, glücklich, zufrieden.