Montag, 8. Juli 2019

Iron Curtain




Über vierzig Jahre lang bildete der "Eiserne Vorhang" eine undurchlässige Barriere mitten durch Europa und war das plastische Symbol für die Teilung des Kontinents in Ost und West. Elektrozaun, Wachtürme, Mauern und Stacheldraht schufen ein unbetretbares Niemandsland, das alleine an der tschechisch-österreichischen Grenze im Lauf der Zeit an die tausend Todesopfer forderte. Nach dem Fall des Eisernen Vorhanges erinnern heute nur noch die als Freilichtmuseum erhaltenen Überreste bei Cizov, nahe Hardegg, an diese dunkle Zeit.


Alles hat bekanntlich zwei Seiten, so konnte sich in dieser ehemaligen militärischen Sperrzone, in den brach liegenden, unbewirtschafteten Wäldern an der Thaya, ein einzigartiger Naturraum erhalten, der heute im länderübergreifenden Nationalpark Thayatal seinen Ausdruck findet.


Der "Iron Curtain Trail" verläuft geschichtsträchtig entlang des ehemaligen Todesstreifens und ist der längste Radweg Europas. Das österreichische Teilstück führt auf 200km durchs Wald- und Weinviertel mit zahlreichen Grenzgängen zum nördlichen Nachbarn.
Wir haben im Zuge einer zweitägigen Tour jene Etappe befahren, die vom Dreieck Hardegg - Znaim - Retz bestimmt wird, und uns in ebendiesen Nationalpark brachte.
In Retz dem Zug entstiegen, folgten wir der Kamp-Thaya-March Radroute (KTM) über Windmühle und Parabluiberg nach Hofern. 


Weiter durch die blühenden Mohnfelder (welch Farbrausch) nach Niederfladnitz und Merkersdorf, strebten wir so Hardegg entgegen, der kleinsten Stadt Österreichs, spektakulär am Thayaufer gelegen, und als ehemaliger Grenzposten auch der Startpunkt in unser persönliches Iron Curtain Trail Erlebnis.


Ungemein abwechslungsreiche Strecke auf Naturwegen durch die tiefen Thayawälder, vorbei an Fischteichen, romantischen Lichtungen und blumenübersäten Wiesen. Die Thaya dreht so spektakuläre Windungen durch die böhmische Masse, dass sie von mancher Anhöhe für zwei verschiedene Gewässer gehalten werden kann.


Aus dem Thayatal bergauf nach Cizov, mit kurzem Abstecher zur Hardegger Warte, die einen atemberaubenden Tiefblick bietet. Weiter über Lukov nach Podmoli. Dort verdient die kleine Radlerraststätte, idyllisch an einem Teich gelegen, besondere Aufmerksamkeit. Selbst der unverbesserlichste Trainierer sollte hier innehalten für pivo und bramboracki.


In einem finsteren Waldgraben erreicht man eine Mühlenruine, deren verblasste deutschsprachige Aufschrift phantasievolle Geister wie ich als "Teufelsmühle" interpretieren können. 


Über aussichtsreiche Feldwege geht es der Stadt Znaim entgegen.
Als nicht ganz vorurteilsfreier Mensch hat mich unser tschechisches Nachbarland nie sonderlich interessiert, in den letzten Jahren entdecke ich aber immer mehr dessen reizvolle Facetten. Die Altstadt von Znaim ist zweifellos eine weitere dieser gefundenen Perlen.


Auf einem felsigen Abhang direkt über der Thaya gelegen, mit einem paradiesischen Waldgraben unterhalb, wo man nie vermuten würde, dass unmittelbar darüber eine Stadt liegt. Natürlich muss man von dort unten einige steile Höhenmeter in Kauf nehmen, um zu den engen Gassen, alten Steinhäusern, Kirchen und Plätzen der Altstadt zu gelangen. 


Wir nächtigten in einem stimmungsvoll restaurierten ehemaligen Kloster und feierten den Tag in einem Panoramarestaurant hoch über der Thaya.


Auch am zweiten Tag zeigte sich, dass das Mountainbike hier oben am Iron Curtain Trail die richtige Wahl ist. Waren die Thayatiefen erst einmal überwunden, offenbarten sich uns herrliche Naturwege am Rande des Nationalparks.



 Die ausgedehnten Heideflächen südlich von Znaim sind entstanden, nachdem bereits im Mittelalter die ursprünglichen Eichenwälder abgeholzt wurden, um Weideland zu schaffen. Zurück blieb eine felsige Landschaft südländischen Charakters mit einem außergewöhnlichen Reichtum an wärmeliebenden Pflanzen. 



Über aussichtsreiche Anhöhen, vorbei an Pferdeweiden, und die Ortschaften Popice und Hnanice durchquerend, erreichten wir schließlich den alten Kultplatz am Heiligen Stein und somit wieder österreichischen Boden. 



Ein paar Kilometer weiter, in Retz verließen wir den Iron Curtain Trail.
Markante Punkte auf unserem Weg zurück in heimatliche Gefilde waren die Öhlbergkellergasse bei Pillersdorf mit "Chill out Area" auf Weinviertlerisch... 



...der Aussichtsturm am Sandberg bei Platt...



...und der Heurige Zeilinger in der Schöngrabener Kellerzeile als kulinarische Abrundung.