Freitag, 25. Oktober 2019

Waldviertel - Kanada


Die Kamptalstauseen, neuerdings nominiert für die "9 Schätze Österreichs", sind eigentlich immer schon unser Stammrevier zum Campen, Baden, Stand Up Paddeln. Seit den 1950er Jahren bilden die drei Staustufen Ottenstein, Dobra und Thurnberg eine Seenkette von über 20 km Länge. Es ist ein Naturparadies geworden, wo noch immer stille Plätze zu finden sind.  Tiefe Wälder, dunkle Felsen spiegeln sich im Wasser der fjordartig verzweigten Seen von "Waldviertel-Kanada". 
Als wir erfuhren, dass der Thurnberger Stausee wegen Renovierungsarbeiten an der Staumauer abgelassen wird, war für uns klar, das wir dieses seltene Schauspiel besuchen müssen, um die Frage zu klären, wie das aussieht, wenn da wer den Stoppel aus unserer Lieblingsbadewanne zieht.
 Ende Oktober war es also soweit. Während Frau und Tochter die Anreise zu einer Übungsfahrt für den Führerschein nutzten, bot sich mir einmal mehr die Gelegenheit, meinen persönlichen Mountainbikehorizont zu erweitern. 


Meine erste Fahrstunde führte mich durchs weite Schmidatal hinauf zum Schlosswald Maissau. Hier galt es, vorerst einmal den Rücken des Manhartsberges zu überwinden, dann erwartete mich eine 10km lange, praktisch nur bergab führende, Wellnessreise ins Kamptal, vorbei an Buttendorf, Maiersch und den Tobelbach entlang. In Buchberg am Kamp schraubte ich mich den Wachtberg hinauf, nach Tautendorf, durchquerte den Hirschbachgraben, erreichte Wolfshof und Wanzenau und begab mich zu den mystischen Nebelhöhen rund um St.Leonhard am Hornerwald.
Der spannendste Teil meiner Reise zum See stand nun bevor: Die einsame Waldschlucht des Fronbaches, im Röckergraben unterhalb von St.Leonhard abzweigend und sich knapp 4km zum Kamp hinausziehend. Es ist ein zivilisationsentrückter Farbenrausch im Herbstwald. Nebenan plätschert der Bach, und irgendwo, hoch oben über den steilen Grabenflanken, versteckt sich die Ruine Runderburg.


 An der Mündung des Fronbaches in den Kamp endet der Weg abrupt. Hier ergibt sich mir ein Bild von urwaldartigem Chaos aus querliegenden Baumleichen mit Biberspuren, tiefen wassergefüllten Gräben und grünem Dickicht. Weit und breit keine Brücke oder Steg zu sehen, aber um auf den Kampsteig visavis zu gelangen, muss ich da irgendwie durch. Der Umstand, mein Rad dabei zu haben, macht diese Aufgabe nicht gerade leichter. 


Der folgende Geländeabschnitt, kampaufwärts, bleibt grenzwertig verwachsen und unwegsam. Er erforderte ein radgeschultertes Outdoor-Workout, mit der Zusatzchallenge, die Balance so zu halten, dass man im schmalen Raum zwischen Fels und Fluss nicht samt Sportgerät ins Wasser kippt.


Trotzdem eine faszinierende Landschaft, die mich, etwas ramponiert, an der Straße nach Wegscheid am Kamp, gnädig wieder entließ. 
Von hier ist es nur noch ein kurzes Stück zur Thurnberger Staumauer, meinem Ziel, das ich nach knapp 4 Stunden, 60km, und 1100 Höhenmeter erreichte.


Der Stausee selbst, hat dann doch mehr Wasser als erwartet. 


Nichtsdestotrotz war es ein Erlebnis, eine Wanderung "im See" zu unternehmen und zu sehen, wie die Badeleitern meterhoch aus dem Wasser ragen.